Der Wirtschaftswissenschaftler und Renten-Experte Axel Börsch-Supan hat sich in einem Interview der Zeitschrift „Capital“ ausführlich mit der Riester-Rente beschäftigt. Er bemängelt vor allem die hohen Kosten der Policen. Außerdem moniert Börsch-Supan, dass zu viele Berechtigte schlecht informiert seien und deshalb keine Riester-Policen abschließen.
Ein Erfolg: Viele Bürger riestern
Als Erfolg der Riester-Rente sieht Börsch-Supan, dass heute jeder zweite „deutsche Haushalt“ einen solchen Vertrag für die private Altersvorsorge hat. Börsch-Supan hat ermittelt, dass rund 80 Prozent der Deutschen eigenes Geld auf die hohe Kante legen und so die Einbußen der stattlichen Rente ausgleichen. Der Forscher stellt aber klar: 20 Prozent der betroffenen Bürger werden von der Riester-Rente nicht erreicht. Das hänge auch mit dem Hauptdefizit der Riester-Rente zusammen. Das Manko „ist mit Sicherheit die völlig intransparente Kostenstruktur. Die Renditen, die beim Kunden landen, sind bei einigen Anbietern viel zu niedrig.“ Dieser Umstand habe bei vielen Bürgern zu großer Verunsicherung geführt.
„Das Hauptproblem ist die mangelnde Information“
Befragt, wie den nicht unterversorgten Bundesbürgern geholfen werden könne, spricht sich der Renten-Experte vehement gegen eine noch höhere staatliche Förderung aus. Stattdessen nimmt er die Politik ins Visier. „Das Hauptproblem ist die mangelnde Information.“ Es gebe einfach zu viele Bürger, die meinten, „sie hätten keinen Anspruch auf Riester-Förderung – obwohl sie einen haben. Die Förderregeln sind kompliziert. Um sie zu vereinfachen, muss man Phantasie aufbringen und nicht einfach Geld reinwerfen.“
Magere Rendite ein Ärgernis
Als weiteren Kritikpunkt nennt der Wirtschaftswissenschaftler die Netto-Rendite, die Riester-Sparer erzielen: Zwar glichen die meisten Policen die Einbußen bei der staatlichen Rente aus, aber: „Allerdings wünschte man sich höhere Renditen: Die ein oder zwei Prozent, die letztlich rauskommen werden, sind recht mager.“
Das liege vielfach an zu hohen Gebühren, die die Finanzwirtschaft für die Policen in Rechnung stelle. Allerdings gibt es laut Börsch-Supan genügend günstige Verträge. Interessierte Bürger müssen sich umfassend informieren, bevor sie sich für falsche Policen entscheiden. Das sei auch in der fehlenden Transparenz begründet. Es würde den Bürgern helfen, „die Anbieter zu identifizieren, die viel zu hohe Kosten nehmen“.
Dennoch will Börsch-Supan die Riester-Rente nicht aufgeben. Sie lohne sich für die Versicherten, „schon durch die Förderung mit Zulagen und Steuervorteilen“.
„Vorgeschriebene Produktblätter helfen Laien nicht“
Ein weiterer Kritikpunkt sind die seit Anfang 2017 vorgeschriebenen Produktblätter. Für Börsch-Supan erfüllen sie ihren Zweck nur unzureichend. Sie seien zu detailliert und für Laien oftmals unverständlich. So ließe sich die mangelnde Akzeptanz der Riester-Rente nicht verbessern.
Erst kürzlich meldete das Sozialministerium dazu ernüchternde Zahlen: Die Zahl der Riester-Renten zur privaten Altersvorsorge stagniert weiter oder ist sogar etwas rückläufig, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. Im ersten Quartal des Jahres 2017 gab es 16,51 Millionen Verträge, Ende 2016 waren es noch 16,54 Millionen. Wenngleich die Zahlen abnehmen, klingt diese Entwicklung nicht allzu dramatisch. Doch ein genauer Blick auf die Zahlen enthüllt erschreckende Details: Die Zahl der Verträge, bei denen die Beitragszahlungen ausgesetzt wurden, wird den Angaben zufolge auf ein Fünftel geschätzt. Riester-Rente – Viel besser als ihr Ruf
Börsch-Supan will Riester- und Betriebsrente zusammenlegen
Um aus dieser fatalen Abwärtsentwicklung herauszukommen, schlägt Börsch-Supan einen Systemwechsel vor. Sein Vorschlag sei es, Arbeitnehmern ein Standard-Vorsorgeprodukt anzubieten. „Die Idee ist, Riester- und Betriebsrente zu verknüpfen und die Leute an so ein Produkt heranzuführen, wenn sie einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Wer nicht will, kann natürlich widersprechen.“ Dieses Modell funktioniere in Schweden und Großbritannien.
Börsch-Supan räumt ein, dass die aktuelle „Niedrigzinspolitik ist ein Desaster“ und laste auf den Renditen Riester-Renten. Weil die Anbieter Beitragsgarantien geben müssen, belasten sie die Niedrigzinsen massiv. Aber Börsch-Supan: „Ausgehend von normalen Kapitalmärkten war die Beitragsgarantie ein kluger Schritt, ohne den man den schnellen Aufschwung der Riester-Rente gar nicht hinbekommen hätte.“
Der Rat: Auszahlung lebenslang strecken
Dennoch hält Borsch-Supan die „Kosten für die Beitragsgarantie“ derzeit für zu hoch. Der wahre Grund der Probleme „liegt allerdings im Produkt: Weil man die Riester-Rente teilweise als Kapital auszahlen möchte, haben die Anbieter ein Problem, wenn die Märkte gerade zu diesem Zeitpunkt im Tal sind“. Als Lösung schlägt der Renten-Fachmann vor, die Rentenauszahlung „lebenslang zu strecken“. Die Kapital-Auszahlung in einem Betrag solle unterbleiben – „damit wird das Problem stark reduziert“.
Borsch-Supans Appell an die Entscheider ist eindeutig: „Man muss sich weiter anstrengen, bessere Produkte zu machen – und zwar sowohl die Finanzindustrie und als auch die Regulierungsbehörde.“
Quelle: Focus online, 11.06.2017